Da wo „Walking Football“ draufsteht, ist auch „Walking Football“ drin?
Meine Sicht der Dinge
Im Jahre 2011 erfanden ehemalige Chesterfield Fußballer eine neue Variante dieses Ballsports, um auch im fortgeschrittenen Alter ihren so geliebten Fußball spielen zu können. Sie richteten das neue Regelwerk so aus, dass Spieler der Generation 50+ wieder an diesem Spiel teilhaben konnten. Durch das körperlose Spiel auf dem Kleinfeld, dem Kicken nur im Gehen, einer maximalen Spielhöhe von einem Meter und verbotenem Kopfballspiel wurde die Verletzungsgefahr soweit reduziert, dass selbst Menschen über 80 Jahre diesen Sport gut betreiben können.
Mittlerweile ist Walking Football in der ganzen Welt präsent. In Deutschland gibt es weit über 400 Teams.
Ich verstehe Walking Football so, dass Fußball hier nur das Mittel zum Zweck ist. Der Zweck ist aus meiner Sicht; „Bewegung, Glück und Spaß“. Die Chesterfielder konzipierten diese neue Fußballvariante für Menschen im letzten Lebensdrittel. Es ging hier nicht um Meisterschaften für die Alten oder immer schneller, höher und weiter. Es ging darum, der Fußballsehnsucht wieder eine Heimat zu geben. Die vielen ehemaligen Fußballer hatten plötzlich wieder die Möglichkeit, gegen den Ball zu treten. Endlich gab es eine Sportart, bei der kein innerer Schweinehund überwunden werden musste. Ganz im Gegenteil. Da es um Bewegung, Spaß und Glück geht, ist das fußballerische Vermögen völlig zweitrangig. Jeder so wie er kann und mag. Walking Football ist nicht die Fortsetzung des Altherren-Fußballs im Gehen. Die vielen negativen Randerscheinungen des Altherrenfußballs haben beim Walking Football nichts verloren. Rumpöbeln und Meckern bei vergebenen Torchancen oder gespielten Fehlpässen haben hier keinen Platz. Frotzeln ja, aber bitte kein böses Wort zum Mit- oder Gegenspieler. Den Ball am Fuß spüren, der Doppelpass, der Toresschluss, Kabinenmief und dritte Halbzeit sind das, worauf es ankommt. Ja, es ist ein bisschen Fußballnostalgie, aber es ist herrlich und macht wirklich glücklich.
All das hier beschriebene war mir beim Aufbau der „Urwaldfriesen“ in Neuenburg wichtig. Jeder der ins Team kam, sollte sich wohlfühlen und Spaß haben. Dieses tolle Klima spürt der „Neue“ vom ersten Moment an. Unbeschwert Kicken ohne Angst haben zu müssen, dass beim nächsten gespieltem Fehlpass dumme Kommentare kommen. Ein Wachstum von 12 auf 42 in 2 Jahren bestätigt unsere Walking Football Kultur.
Wenn ich vom „Glück“ beim Walking Football spreche, meine ich natürlich die sehr zufriedenen Gesichtsausdrücke meiner Mitspieler, aber vielmehr Glück in den Gesichtern sehe ich bei unserem Inklusionsteam. Hier wächst gerade ein Kader von zirka 20 Spielerinnen und Spieler heran. Mit wie viel Spaß und Freude diese Menschen mit Handicap bei uns Walking Football spielen, ist phänomenale. Wann immer ich das Bedürfnis nach glücklichen Momenten habe, trainiere ich mit Ihnen mit.
„Nur wo Nutella draufsteht, ist auch Nutella drin“ lautet ein Werbeslogan aus den 70-ziger Jahren. Gilt dieser Spruch auch für unseren Sport. „Da wo Walking Football draufsteht, ist auch Walking Football drin?“
Walking Football ist das, was die Chesterfielder 2011 erfanden. Daraus entwickelten sich weitere Facetten. Walking Football ist Gehfußball für die Generation 50+.
Ja, der Begriff Walking Football ist wohl nicht geschützt. Aber ich finde, wenn ein Sportangebot vom ursprünglichen Walking Football abweicht, muss man es auch benennen.
Ich möchte hier ganz deutlich sagen, dass jede einzelne Facette unseres Sports seine Berechtigung hat, nur müssen wir langsam differenzieren und transparent werden. Wenn ein Rentner sich im Netz nach Walking Football erkundigt, wird er annehmen, dass es sich um Gehfußball mit ungefähr Gleichaltrigen handelt.
Nun gibt es in bestimmten Regionen (z.B. Hamburg), aber auch in einigen Vereinen in unserer Nachbarschaft ein anderes Setup der Mannschaften. So wird zum Beispiel die Altersgrenze deutlich unterschritten. Hier steht der Familiensport oder das Motto „Gehfußball“ für alle im Vordergrund. Eine super Sache, wenn Enkel, Vater und Großvater zusammen kicken. Auch diese Facette nennt sich „Walking Football“!
Wenn nun besagter Rentner sich dazu entschließt, wieder in Bewegung zu kommen und mit Gleichgesinnten den so sehr geliebten Fußball zu spielen, könnte es zu Irritationen kommen. Sieht er sich doch plötzlich 20- und 30jährigen Gegenspielern gegenüber.
Ich bin der Meinung, dass alle Walking Football Facetten, die vom Ursprünglichen abweichen, auch im Sportnamen als Zusatz benannt werden sollten. So könnte die Hamburger Variante z.B. „Walking Football for all” oder “Walking Football- family & friends” heißen. So steht drauf, was drin ist.
Auch die Tatsache, dass Walking Football jetzt wettkampfmäßig in einer Hamburger Liga gespielt wird, halte ich für kontraproduktiv. Wer an einer Meisterschaft teilnimmt, verfolgt das Ziel „Meister“ zu werden. Meister wird der, der den erfolgreichsten Fußball spielt. Jeder so wie er kann und mag, wird dann schwierig. Der weniger talentierte Spieler wird weniger eingesetzt und könnte den Spaß verlieren und sich wieder auf das Sofa begeben.
Aber es läuft ja gerade die erste Saison in Hamburg und somit gibt es noch nicht wirklich belastbare Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss der Liga-Betrieb auf den Spaßfaktor der Spieler hat. Vielleicht irre ich mich ja auch.
Mir ist nur wichtig zu sagen, dass die gelebte Walking Football Kultur ganz entscheidend für das Glück und den Spaß der Spielerinnen und Spieler ist!
Lasst uns für viele glückliche Momente sorgen! Bleib am Ball!